Kulturagentinnen und Kulturagenten Schweiz

Imaginiere dich in eine dir unbekannte Stadt. Was wirst du gesehen haben? Was willst du sehen?

Unser Inneres ist ein sich wechselnder Diaprojektor. All die Bilder, die wir in uns tragen, wechseln wir ein und aus. Klack, Klack, Klack, Klack

Was für unbewusste Annahmen, übernommene Vorstellungen, persönliche Wünsche und gesellschaftliche Wertesysteme, schleichen sich in unsere inneren Bilder ein? Verlernen soll ermöglichen, überholtes Wissen, diskriminierungsförderndes Denken, sowie die eigene Positionierung zu reflektieren. Soll ich meine Bilder löschen und vergessen? Zu einem weissen Blatt werden?

So wie ich Unlearning verstehe, geht es gerade nicht um das Vergessen. Bevor wir überhaupt verlernen können, stellt sich die Frage, wie wir lernen. Lernen ist nicht nur eine Akkumulation von Wissen, sondern auch das Erlernen von bestehenden Machtverhältnissen. Haben wir sie erlernt, performen wir die bestehenden Machtverhältnisse, indem wir sie einüben, einsetzen und teilweise unhinterfragt übernehmen.

Bildung und Vermittlung ist auch immer ein zweischneidiges Schwert. Lerninhalte werden vermittelt, die indirekt unsere Wertesysteme stabilisieren und mit unserem erlernten Wissen, können wir ebendiese Strukturen in Frage stellen.

Die oben beschriebene Position beinhaltet, dass die bestehenden Machtverhältnisse nicht nur auf Grund von Ökonomie so sind wie sie sind, sondern dass sie auch aktiv und symbolisch gelernt und wiedergegeben werden. Wir lernen, was Bedeutung hat, was richtig ist, was nicht zählt und wie Dinge geordnet und strukturiert werden.

« Und wir lernen wer wir sind und wer die anderen und wir lernen mit allem, was wir lernen, sehr vieles anderes nicht. Wir lernen also auch, dass nicht jedes Wissen gleich Macht bedeutet (und manche Macht Ignoranz und Dummheit fördert und voraussetzt), welches Wissen Macht bedeutet und was gar nicht erst gewusst werden muss « ( Nora Sternfeld )

Wenn wir uns der Verbindung zwischen Machtverhältnissen und Lernprozessen bewusstwerden, können wir uns ausmalen, dass es auch noch anders sein könnte.

Eine Bildung und Vermittlung, die bestehende Machtverhältnisse kritisch hinterfragt und andere Bildungsinhalte vermittelt.

Künstlerische Prozesse und Projekte an Schulen haben das Potential dieser Vielstimmigkeit. Schüler*innen bringen sich und ihre Positionen mit hinein.

Denken wir an all unsere Bilder, die wir in uns tragen und die uns gezeigt werden – könnte es im Zusammenhang mit Unlearning nicht auch um die Verschiebung dieser Bilder gehen? Wenn verschiedene Bilder übereinandergelegt werden oder nebeneinander existieren, entstehen in uns neue und unbekannte Bilder. Bilder, die noch keinen Platz im vorherrschenden Bildungskanon gefunden haben und Bilder, von denen wir uns selbst überraschen lassen.

Die Bilder würden sich nicht mehr durch einheitliche Allgemeindeutungen erklären lassen, sondern präsentieren sich in ihrer Uneindeutigkeit, Widersprüchlichkeit und Vielfallt.

Beim Unlearning geht es also nicht darum, bestehende Machtverhältnisse einfach auszublendend. Vielmehr geht es darum, unsichtbare und vergessene Bilder und Stimmen sichtbar zu machen und in den Kanon miteinfliessen zu lassen.