Kulturagentinnen und Kulturagenten Schweiz

Wer kennt sie nicht - die Lieblingsfrage der Schüler:innen? Mag sie im Unterricht oft lästig sein, eignet sich diese Frage als Ausgangspunkt für das Benennen und die Weiterentwicklung von Schulkultur bestens.

Als Gegenspielerin zum Unterricht stellt die Pause den grössten Freiraum der Schüler:innen im Schulalltag dar. Ein zeitlich und räumlich begrenzter Raum, den die Schüler:innen selbst gestalten können. In dem sie tun und lassen dürfen wonach ihnen ist. Nicht selten sind Pausen daher auch laut, wild und energetisch. Die typischen Pausenaktivitäten wie schreien, rennen oder sich jagen können als kompensatorisches Verhalten zum Unterricht verstanden werden, als Gegenpol zur starken Kontrolle durch die Lehrperson während dem Unterricht. Die wiederkehrende Frage nach Pausenzeit ist ein ernstzunehmender Wunsch nach Freiraum. Wie also liesse sich die Sehnsucht der Schüler:innen nützlich machen für die Gestaltung einer lebendigen Schulkultur? Diese Frage war Ausgangspunkt und Auseinandersetzung eines Workshops der Kulturagentinnen Jelena Moser und Laura Zachmann an der Tagung «Schule und Kultur - wie geht das?» an der Pädagogischen Hochschule in Bern.

Als Kulturagentinnen sind wir es gewohnt, das Alltägliche, das Selbstverständliche an Schulen etwas genauer anzuschauen und das bis anhin Unantastbare vorsichtig zu berühren. Bestehendes zu benennen und festzuhalten ist hierfür eine wichtige Grundlage. Eine Sammlung von Pausen-Phänomenen bildet die Ausgangslange des Workshops: Tauschbilder, Schüler:innen, die dichtgedrängte beim Eingangsbereich stehen, Leuchtwesten der Pausenaufsicht, Pausenordnungen, Schleckereien und vieles mehr. Ausgehend von typischen Pausen-Attributen und in zufälliger Kombination mit Ansprüchen an den Sinn und Zweck der Schulpause, entstehen erste Skizzen für eine schulkulturelle Umordnung.

Dem Workshop zu Grunde liegt die These, dass Pause eine sozial und kulturell konstruiertes Format ist, dass jederzeit auch anders sein könnte. Im 19. Jahrhundert im Zuge der Lernschule und der damit verbundenen ausgedehnten Schulpensen und Disziplinierungen erstmals eingeführt, wird die Pause durch kollektiv verankerte kulturelle Muster und Deutungen mit Sinn erfüllt (vgl. Gabriela Muri 2004). So ist es folglich auch kein Zufall, dass sich Schulpausen, unabhängig von der Schule, ähneln. Claudia Cattaneo beschreibt die Schulpause als komplexe, soziale Situation, die geprägt ist von räumlichen, zeitlichen und sozialen Aspekten. Der räumlich genau definierte und abgegrenzter Pausenhof mit geteertem Platz, gedecktem Vorplatz, Mäuerchen, Brunnen, Treppen und steinernen oder hölzernen Sitzbänken, die Pausenglocke, welche den Tag gliedert und losgelöst vom schulischen Alltag gar nicht existieren würde und die sozialen Interaktionen zwischen Schüler:innen und Lehrpersonen, den Schüler:innen und dem Hauswart oder den Schüler:innen unter sich. Dabei stellte sie fest, dass während den Pausen plötzlich andere Leistungsformen gewichtig werden: Körperliche Stärke, Modebewusstsein oder soziale Fähigkeiten sind die Profilierungsmuster der Schulpause und schulische Leistung oder Sprachkompetenz wird auf dem Pausenhof nebensächlich. Die damit einhergehende Peer-to-Peer Sozialisation auf dem Pausenhof stellt nebst der Sozialisation der Schüler:innen durch die Lehrpersonen ein wichtiges Lernfeld dar (vgl. Matthew Speier 1973, in: Gabriela Muri 2004).

Die Pausenkultur entsteht durch die Schüler:innen und entzieht sich damit zu Teilen der sozialen Kontrolle durch Erwachsene. Im Sinne des Eigensinn-Konzeptes also ein durch und durch interessanter Hebel um von da ausgehend und durch die Schüler:innenschaft Schulkultur neu zu gestalten.

Quelle: Gabriela Muri, 2004. Pause! Zeitordnung und Auszeiten aus alltagskultureller Sicht. Campus Verlag.