Kulturagentinnen und Kulturagenten Schweiz

Was war die schönste Anekdote, die du im Schulkontext erlebt hast?

Am Gymnasium besuchte ich das Schwerpunktfach Bildnerisches Gestalten. Für mich war es damals schwierig herauszufinden, was nötig war, um eine gute Note für die Zeichnungen, Malereien oder Skulpturen zu erhalten. Eines Tages fragte ich den Lehrer: «Ich habe mir für diese Zeichnung so viel Mühe gegeben, aber ich erhalte doch nur eine 4.5.» Der Lehrer meinte darauf: «Du könntest auch einfach einen schwarzen Punkt auf dieses weisse Blatt malen. Wenn du mir erklären kannst, warum du diesen schwarzen Punkt gezeichnet hast, warum er so gross ist und warum auf einem weissen Papier, dann erhält dein Bild erst an Bedeutung.» Diese Bemerkung hat mir damals einen neuen Blick auf die Kunst ermöglicht und ich konnte ein Verständnis für abstrakte Kunst entwickeln. Ich habe gespürt, dass Kunst nur aus den Augen des Betrachters bewertbar ist, aber ich, als Schaffende, dem Werk eine Bedeutung geben kann.

Was interessiert dich am meisten an einer Schule?

Ich interessiere mich einerseits für die heutigen Lehrpläne und die Veränderungen, die passiert sind, seitdem ich nicht mehr in der Schule bin. Ich möchte erfahren, wie sich Schulen mit aktuellen, gesellschaftlich relevanten Themen auseinandersetzen und diese in die Bildung miteinbeziehen. 

Wo siehst du Potenzial, und was für eines?

Grosses Potenzial sehe ich bei den Schüler.innen in der kindlich-jugendlichen kreativen Freiheit, der Fantasie, Neugierde und Energie neue Projekte mit zu gestalten. Um diese Energien ausleben zu können, braucht die Schule aber Gefässe, die diese offenen Formate zulassen. Spannend finde ich auch die direkte Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen und der Schulleitung. Sie ermöglichen es schlussendlich, Kunst und Kultur über verschiedenen Fächer zu integrieren. Ich verstehe Lernen als multidisziplinärer Prozess und als Begegnung auf verschiedenen Ebenen: über das Alter, die Sprache, die Religion, die Geschlechter und über die Leistung hinweg.

Du bist selbst Künstlerin. Was zeichnet deine künstlerische Praxis aus?

Ich entwickle Formate, die neue gemeinsame Perspektiven stiften und die «Bubbles» oder Denkgewohnheiten in denen wir uns befinden, durchbrechen sollen. Dazu gestalte ich Begegnungsorte mit einer spezifischen und ungewohnten Rahmengeschichte, in welchen sich unbekannte Menschen kennenlernen und voneinander lernen können: wie z.B. den Coiffeur-Salon «Querschnitt», die «HyperLibrary» oder «les rencontres savoureuses». Das Performance-Festival PERFORM PERFORM, das ich mit vier Frauen gegründet habe, hat mir die Welt der Performance, des Veranstaltens und des Feminismus nahegebracht. Im Moment läuft noch das Projekt «Mezcla Motel», eine Inspirationsgruppe für weibliche Kunstschaffende. Ich sehe mich in der Rolle der Kuratorin und Gestalterin, die versucht durch Kunst Verbindungen zwischen Menschen herzustellen. 

Was treibt dich in der Kunst am meisten an?

An der Kunst treibt mich vor allem die Möglichkeit des freien Experimentierens an. Ich finde es spannend, Momente mit zu kreieren, die aus der Zusammenkunft und Begegnung verschiedener Akteur.innen entstehen. Die Kombination von unterschiedlichen Lebenserfahrungen, von Fertigkeiten, von Wissen und Zielen, empfinde ich als Bereicherung für das Kunstschaffen, wie auch für die Erlebenden selber. Denn eine Begegnung ist immer eine persönliche Erfahrung, die nicht gemessen werden kann. 

Welche Träume hattest du als Kind?

Ich hatte als Kind einen immer wiederkehrenden Traum. In diesem Traum sass ich auf einer Schaukel, diese Schaukel war riesig. Die Seile der Schaukel waren so lang, dass sie bis in den Himmel reichten. Ich konnte auf dieser Schaukel so weit nach vorne und so weit nach hinten schaukeln, dass ich nicht mehr wusste wo ich war. Dieses Gefühl, dieses Kribbeln im Bauch beim nach vorne und nach hinten schaukeln, war unglaublich gut. Ich fühlte mich frei und leicht, aber auch ein wenig ängstlich und hibbelig.

Ein schriftliches Interview von Marinka Limat und David Zehnder.