Kulturagentinnen und Kulturagenten Schweiz

Eine E-Mail von Klangwart Roman Rutishauser an die Künstlerkolleg.innen Miriam Sutter, Tobias Stumpp, Alena Kundela und Reto Knaus, die mit ihm das Projekt «Spinnerei zu St. Margrethen» leiten und mit Schulklassen einzelne Containervormittage gestalten. Das Projekt geht gerade von der «Spinnphase» in die «Knäuelphase» über.

Hoi mitenand

Ich möchte euch gerne von meinen heutigen Erfahrungen mit dem ersten Knäuelvormittag der Spinnerei an der Wiesenau berichten. Die Kinder sind von den vielen Erlebnissen in den vergangenen Monaten beeindruckt, das lebt weiter! Deshalb ist es nur ein kleiner Schritt zum Gedanken «Nonig fertig» – und zum Auftrag, den Spinnplatz so umzugestalten, dass er niemals fertig wird. Gerne möchte ich euch ermutigen, die Hinführung in ganz persönlicher Weise zu gestalten. Das Lied «Nonig fertig» könnt ihr gerne als Anregung und Unterstützung einspielen - es ist dadurch folgerichtig, auf dem Spinnplatz eine Atmosphäre des Niemalsfertigen zu schaffen, wo der Standardspruch von vielen Kindern «I bi scho fertig!» auf lockere Weise zur Aufforderung fürs Weiterdenken umgelenkt werden kann ;-).

Natürlich taucht dann ebenso schnell die Forderung auf, dass das Geschaffene nun bleiben müsse, nicht verändert werden darf, Verbotsschilder waren ganz schnell geschrieben… Hier sind wir genau an der Grenze, die wir miteinander über-schreiten wollen. Was für spannende Diskussionen da entstehen! Die folgende Klasse war auch kein Problem, sie gestaltete «die Unberührbaren» respektvoll um. Allerdings brauchten viele etwas Zeit, um sich zu trauen, etwas Eigenes aus dem Vorhandenen zu schaffen.

Aber dann: Kaum war Schulschluss am Mittag, fielen Horden von unbeteiligten Schüler.innen über den Platz her und zerstörten in grossem Masse, was sich hier präsentierte. Spiegel wurden zerschlagen, Ping Pong Bälle zerstampft, Wollhäuser flogen in die Luft… Ich konnte Schlimmeres verhindern. Wieder spannende Diskussionen bei den enttäuschten Künstler.innen: Umgestalten ist ok, aber zerstören tut weh. Was für eine Lebensschule der Spinnereibetrieb da bietet!

Ich habe anschliessend über die ganze Mittagszeit versucht, den Spinnplatz wieder den erfundenen Geschichten der Kinder anzunähern, nicht aufzuräumen und trotzdem Abfall zu entsorgen (Ist das Kunst, oder kann das weg?… Uiui!) und dabei heikle Materialien, welche für Zerstörungswillige zu einladend wirken, in den Container geräumt. Ausserdem habe ich den Platz mit einem Baustellenband deutlich eingezäunt. War ja bisher eher so Plastikballett rundum… :-) Als die Kinder nach der Mittagspause wieder kamen, haben sie sich gefreut, meine Arbeit wurde gutgeheissen – zu meiner Erleichterung.

Für uns heisst das nun, dass wir jeweils am Mittag den Spinnplatz in einem Zustand verlassen sollten, welcher wohl das Entstehende und das sich verändernde Wesen zeigt, aber keine grossen Verlockungen zur Zerstörung bietet. Ich weiss: Eine Gratwanderung - nicht nur eine künstlerische Herausforderung! Andrerseits entspricht die Idee genau dem Gedanken, wie wir den Container jeweils verlassen wollten: Als Geschichtenerzähler.innen für beteiligte und unbeteiligte Passant.innen.

Soweit der Bericht vom Knäuelpioniercontainermorgen. Ich wünsche euch in der Arbeit mit den Klassen viel Phantastisches, Ausuferndes und Grenzenüberschreitendes – was wollen wir denn mehr, als neue Ufer zu finden!?

Herzlich Roman