Barbara Tacchini
«Im Widerspiel des Unmöglichen mit dem Möglichen erweitern wir unsere Möglichkeiten.»
Ingeborg Bachmann

Barbara Tacchini ist als Kulturagentin im Kanton St. Gallen an der Schuleinheit Wiesenau der Schule St. Margrethen und an der HPS Flawil) tätig.
Als Jugendliche erlebte Barbara Aufführungen im Vorstadttheater Basel, die einen starken Eindruck bei ihr hinterliessen. «Das was da auf der Bühne verhandelt wurde, ging um mich!» Eine Erfahrung die sie als Kunstvermittlerin mit Kunstrezipierenden teilen möchte. «Leute trauen sich oft nicht, ihren Gefühlen und Gedanken zu Kunstwerken zu vertrauen. Darum interessieren mich bei Kunstvermittlung die Andockpunkte in jedem einzelnen, an Sounds, an Figuren, an Konflikte oder an Gegenstände.» Auch im bewussten Erfassen von Spielregeln hinter Kunstwerken können solche Andockpunkte liegen. Bei der Stückentwicklung durch szenische und musikalische Improvisation mag Barbara es, die Spielenden, seien es Profis oder Laien, Erwachsene oder Kinder, dazu zu ermutigen, sich selber Regeln für ihre Arbeiten zu setzen und zu erfahren, wie man diese im Spiel erweitern, verändern, verschieben oder auch brechen kann.
Barbara ist überzeugt davon, dass Kinder die Möglichkeit zu spielen brauchen. «Wir selber durften ganz viel spielen und immer wieder erleben, wie sich in unserem Spiel fantastische Welten auftaten.» Aufgewachsen in Basel, studierte sie Musikwissenschaft und Germanistik, absolvierte Regieassistenzen am Theater Basel und arbeitete im Schweizer Pavillon an der Expo Hannover, bevor sie ganz nach Deutschland wechselte und 15 Jahre als Regisseurin und Dramaturgin Musiktheater machte, erst an der Staatsoper in Hannover, dann an der Oper Stuttgart als Leiterin der Jungen Oper.
Zurück in der Schweiz beschäftigt es sie auch hier, wie kompliziert sich manche Migrations- und Inklusionsprozesse gestalten, wie schnell sich Fronten durch angstvolle Selbstbehauptung und Aggression verhärten, statt durchlässig zu bleiben. Kunst, so findet Barbara, kann modellhafter Raum sein, um Integration und Inklusion zu leben, um Elemente aus verschieden Kulturen sich zu etwas Magischem potenzieren zu lassen, ein Labor, um wie im kindlichen Spiel Koordinaten- und Perspektivenwechsel zu versuchen. Im Kunstwerk kann man das scheinbar Nebensächliche durch ein Lupe anschauen oder Untaugliches tauglich machen, den Dingen ganz neue Eigenschaften geben: Ein Staubsauger kann auf der Bühne ein Flugzeug sein, eine Leiter wird zum Berg oder Baum, ein Klang zum Herzenserguss. Es ist Barbara bewusst, dass das auf reale Politik nicht einfach so übertragbar ist, doch glaubt sie, dass die künstlerische Auseinandersetzung mit verschiedenen Denkweisen und Kulturen eine Denkschule ist um Utopien zu entwerfen, die gesellschaftspolitisch wirksam werden können. Prozesse werden erst in Gang gesetzt, wenn man sich die «Was wäre wenn» Option gedanklich oder praktisch erlaubt. Oder in Barbaras eigenen Worten: «Statt zu sagen: Das geht nicht, besser fragen: Wie könnte es gehen? Das Streben nach etwas Unmöglichem und das damit verbundene Scheitern ergibt neue Möglichkeiten.»
Text: Sylvie Vieli