Spekulatives Wandern auf der Nagelfluh «Kulturschule»
16. Dezember 2022
von Laura Zachmann
Die Schule hat den Auftrag, die Generation von heute für die Zukunft von Morgen auszubilden. Eigentlich eine unmögliche Aufgabe. Eine Arbeit, bei der man von Annahmen und Spekulationen ausgehen muss. Bei der man ins Blaue hinaus entwerfen, denken und handeln muss. Kann eine Kulturagentin hier weiterhelfen?
In einer Schule braucht es eine gemeinsame Vorstellung und Einschätzung von der Topologie, die einen umgibt. Und um dieses Gelände begehen zu können, muss man sich innerhalb der Schule abgleichen und gemeinsame Spielregeln festlegen. Dabei prallen verschiedene Vorstellungen, Visionen, Haltungen und Weltanschauungen aufeinander. Ein Aushandlungs- und Aushaltungsprozess beginnt, indem diese teils widersprüchlichen Perspektiven in einer gemeinsamen Karte eingepflegt werden.
Kulturagent.innen sind gut vertraut mit künstlerischem Arbeiten – prozesshaftem, offenem Arbeiten. Sie sind mit porösem Blick, gleichschwebender Aufmerksamkeit und einer leisen Vorahnung von noch Unscharfem, Flüchtigem unterwegs. Unterwegs zu sein und das Ziel der Wanderung immer wieder zu verschieben, bedeutet, viel Unklarheit und Offenheit auszuhalten. Das Aushalten der zeitgleichen Existenz von offener Suche und fokussiertem Ziel bedarf grosser Agilität. Diesen Zustand als etwas Fruchtbares zu erfahren und die Ambivalenz von Fokussierung und Offenheit zeitgleich zuzulassen, ist zentraler Bestandteil künstlerischer Arbeit. Leitplanken festzulegen und zeitgleich einen Modus gleichschwebender Aufmerksamkeit zu kultivieren, die gesetzten Eckpunkte weiter anzureichern oder allenfalls auch neu zu platzieren sind Herausforderungen, die zentrale Aspekte der Prozessarbeit darstellen. Eine Schulentwicklung, die von der Kunst aus gedacht wird, verstehe ich als diese Art von Prozessarbeit.
Wie kann es also gelingen, einen gemeinsamen Norden zu finden, ohne sich innert kürzester Zeit wieder auf den üblichen Trampelpfaden wiederzufinden? Wie gelingt spekulatives Wandern? Wie können wir uns von Dingen am Wegrand ablenken lassen und dabei den Norden nicht aus den Augen verlieren?
Die Begleitung dieses Prozesses durch Kulturagent.innen, die erfahrene Exkursionsleiter.innen und geübte Gratwanderer.innen zwischen den Polen Offenheit und Fokus sind, birgt ein grosses Potenzial für eine nachhaltige Schulentwicklung. Wobei der Modus des Vor und Zurück, des Suchens und Festhaltens, der Erosion und der Ablagerung auszuhalten ist. Dabei ist eine der wohl grössten Herausforderungen für eine Schulentwicklung, die von Kunst aus gedacht wird, ein System, das geprägt ist von Regeln und Konsequenzen, von Abläufen, zieldefiniertem Vorgehen, Struktur, Ordnung sowie fest definierten Rollen.
In meiner Arbeit als Kulturagentin begebe ich mich auf die Suche nach Konglomeraten aus Kunst und Schule. Diese Konglomerate zu identifizieren, sie zu vergrössern und vielleicht zum Ausgangspunkt einer Schulvision zu machen, stellt ein Schritt in Richtung Schulentwicklung von Kunst aus dar.