Bestehendes in Wandlung: eine Bienenwachsaktion
17. Dezember 2018
von Mariano Gaich
Heute hat mich ein Schulkind danach gefragt wie lange Bienen leben.
Am 26.11.2018 initiierte ich im Rahmen des Projekts «Kulturagent.innen für kreative Schulen» eine ‹Bienenwachsaktion› in Kooperation mit dem Fotomuseum Winterthur an der Michaelschule (ebenso in Winterthur).
Das Bienenwachs, welches bis heute von der Schule gelagert wurde, stammt aus ihrer Zeit als heilpädagogisch-anthroposophische Institution. Die Anthroposophie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts stark von spirituellem, theosophischem und christlichem Gedankengut geprägt. Dies äussert sich beispielweise in Weihnachtsritualen wie dem Kerzenziehen, in welchen durch die Wiederholung eines gleichen Konsumprodukts (Kerzen aus Bienenwachs), westliche Glaubenssysteme weiter reproduziert werden.
Seit 2006 wird die städtische Heilpädagogische Michaelschule nicht mehr nach anthroposophischen Grundsätzen geführt. Heute befindet sich die Michaelschule in einer Umstrukturierungsphase. Diese Wandlungsphase öffnet Wege um über die kunst- und anderen pädagogischen Strukturen in der Schule nachzudenken und diese möglicherweise neu zu denken. Wandlungsfähigkeit ist auch eine Materialeigenschaft des Bienenwachses. Ich verstehe das Material als ein Symbol für die Schule im Rahmen des Projektes: Das Bestehende wird zur Ausgangs- und Grundlage zur Aktivierung von Wandlungsprozessen.
In einer freudigen Stimmung der Neugier, versammelten sich am Tag der Bienenwachsaktion zahlreiche Schüler.innen (Kinder und Jugendliche) und auch das Schulpersonal in dem angebotenen Raumsetting. Sie besetzten und belebten den Raum, der durch ihre unterschiedlichen künstlerischen Arbeitsprozesse, zu einer performativen und kollektiven Installation verwuchs. Sie liefen fliessend durch verschiedene Stationen, die verschiedene Erfahrungen und Austausch ermöglichten: sinnliche Wahrnehmung, das Kommunizieren miteinander, professionell-experimentelle Fotografie. Die entstandenen Objekte aus Bienenwachs und die Fotografien – beides von Schüler.innen gestaltet –, sind in keiner Logik der ergebnisorientierten Produktion eingebettet. Vielmehr öffnen sie einen Raum der Vielseitigkeit, in welchem eine Konfrontation mit normativen künstlerischen Herstellungs- und homogenisierenden Geschmacksbildungsprozessen stattfinden konnte. Unkontrollierbarkeit, Ausprobieren, Differenzierung in künstlerischen Prozessen und Rationalität waren in diesem Setting spürbar. Vor allem aber die anerkennende Teilhabe der Schüler.innen, die aus ihrer Lebenssituation heraus und von selbst einen Raum der Selbstermächtigung und der Sichtbarkeit ihrer Potentiale und Vorstellungskraft geschaffen haben.
Heute hat mich ein Schulkind danach gefragt wie lange Bienen leben: ich merke, die Bienenwachsaktion zieht Fragen, Ideen, Themen und Wünsche nach sich, welche Verknüpfungs- und Anknüpfungsmöglichkeiten zwischen Kunst und Schulunterricht ermöglichen. So könnte eine Form transformativer kultureller Bildung entstehen, in welcher Sinnlichkeit und Reflexion permanent miteinander interagieren, und sich gegenseitig bilden.