Kulturagentinnen und Kulturagenten Schweiz

Ein Kulturagent.innen-Projekt hinterlässt Spuren im Stadtraum

Im Kulturagent.innen-Projekt der Stiftung Mercator Schweiz arbeiten 17 Schulen in 7 Kantonen daran, ein fächerübergreifendes Angebot kultureller Bildung im Schulalltag zu verankern. Mit dieser Intention ist die am Projekt beteiligte Sekundarschule Remisberg in Kreuzlingen mit der Kulturagentin Bettina Eberhard schon mehrmals über den Schulcampus hinausgewachsen. Seit Anfang Mai manifestiert sich gar eine künstlerische Arbeit der Sekschülerinnen und -schüler im öffentlichen Raum: Zusammen mit dem Künstler Ivan Frei haben 14 Jugendliche in der Seestrassen-Unterführung am Bahnhof Kreuzlingen Hafen ein 30 Meter langes Graffiti mit dem Schriftzug «Cheesecake» realisiert.

Das Thema Graffiti behandelte die Kunstlehrerin Claudia Hutter vom Remisberg bereits im Unterricht. Die Umsetzung der Spraykunst hätte aus praktischen Gründen ursprünglich auf Papier auf dem Schulgelände erfolgen sollen. Jedoch wollte man sich mit dieser Kompromisslösung nicht zufriedengeben. Damit die Schülerinnen und Schüler mit ihren Ideen nach aussen treten und ihr Graffiti – wie es die Kunstform vorsieht – im öffentlichen Raum verwirklichen konnten, erkundigte sich Bettina Eberhard bei der Stadt Kreuzlingen, ob geeignete Wandflächen zur Verfügung stünden.

Es bot sich schliesslich die gut erreichbare Unterführung beim Hafenbahnhof an. Die Stadt bewilligte das Vorhaben, und auch Reto Ritz, der dort 2013 «View through the Wall» geschaffen hatte, war einverstanden, seine Arbeit übermalen zu lassen. Die Betonwand wurde blau grundiert und konnte von den Jugendlichen als Arbeitsfläche genutzt werden. Bevor es ans Sprayen ging, setzte sich die Klasse mit der Geschichte der Graffitikunst, mit unterschiedlichen Styles und Techniken auseinander. Dabei kamen auch die Ursprünge und Absichten der Kunstform, Aspekte wie illegales Sprayen oder der Codex unter Graffitikünstlern zur Sprache.

Wie schnell aus Theorie Praxis werden kann, erfuhren die Schülerinnen und Schüler gleich am eigenen Leib. Als die Jugendlichen nach einer Woche zu ihrem noch unvollendeten Werk zurückkehrten, um daran weiterzuarbeiten, hatten bereits andere darauf ihre Spuren hinterlassen. Womöglich ein Zeichen dafür, dass das legal aufgegleiste Graffiti von einigen Sprayern der hiesigen Szene in Frage gestellt oder nicht respektiert wird? Schliesslich steht Graffitikunst auch für Protest gegen eine inhaltliche und ökonomische Einverleibung von Kunst durch das Establishment.

Es bleibt also spannend, ob oder wie sich der von den Schülerinnen und Schülern umgesetzte Schriftzug «Cheesecake» noch verändern wird. Im Sinne der Graffitikultur ist konsequenterweise angedacht, dass die Arbeit im kommenden Jahr von der nächsten Klasse übermalt werden soll. «Cheesecake» wurde also vorsätzlich nicht für die Ewigkeit geschaffen. Das Graffiti steht vielmehr als starker Ausdruck von kollektiver Schaffenskraft, von Kreatitvität und dem Mut, eigene Ideen zu verwirklichen – und damit den öffentlichen Raum zu bereichern.

Stefanie Kasper ist Geschäftsführerin bei kklick Kanton Thurgau.